Mittwoch, 20. September 2017

Bam nach Bandar Abbas

Fast hätte ich den Blog "Iraner sind doch netter als gedacht" genannt, wäre da nicht ein Erlebnis am Tagesende gewesen. Aber der Reihe nach. Als ich gestern Abend noch einmal mit dem Aufzug runterfahren wollte und die Tür aufmachte, bin ich zum Glück nicht hineingegangen, denn der Aufzug war ein Stockwerk tiefer; heute war er dann außer Betrieb, ich musste also alles die Treppe runterschleppen. Beim Frühstück waren die Spiegeleier ausgegangen, da sorgte prompt ein netter Gast dafür, dass mir die Bedienung eine extra Schale mit 2 Spiegeleiern und Tomaten brachte. Beim Aufladen hatte ich dann noch eine gute Unterhaltung mit einem Iraner, der eine 250er Honda zum Urlauben mit Zelt benutzt. Er hat mir Bilder gezeigt, bevor er mit seinem Nissan Navarra davonbrauste. Als ich endlich loskam, fand ich die Zitadelle nicht. Als ich so über meinem Navi brütete, hielt ein junger Autofahrer, zeigte mir sein Handy mit einem Bild von der Zitadelle, ob ich dorthin wollte. Ich sollte ihm einfach folgen. Also bin ich hinter ihm her, und eine Viertelstunde später lieferte er mich am Parkplatz vor der Zitadelle ab. Super nett, das ist mir so bisher nur in Aleppo in Syrien passiert.
Wie ihr bestimmt wisst, gab es in Bam am 26.Dezember 2003 ein schreckliches Erdbeben mit über 30000 Toten. Die Zitadelle als Lehmbauwerk wurde besonders stark in Mitleidenschaft gezogen. Erdbeben sind in Iran allerdings durchaus nicht selten; so wurde 1990 die Stadt Rasht - ich stand da im Stau und sprach von Rasht-Hour - von einem Erdbeben der Stärke 7,7 quasi dem Erdboden gleichgemacht, über 40000 Menschen verloren dort ihr Leben. Heute sieht man dort fast nichts mehr davon, und auch in Bam wird an der Zitadelle eifrig gearbeitet. Zuerst werden die noch stehenden Teile mit einer Masse aus Lehm, Stroh und kleinen Steinchen wieder instand gesetzt, bevor dann Stein- oder Lehm-Platten die Außenfassade bilden. Die Arbeiter haben meist einen großen Sonnenhut auf, aber einen leichten Job haben sie nicht. Der Eintritt kostet 200000 Rial, das sind weniger als 5 Euro.
Als ich wieder rauskam, traute ich meinen Augen nicht. Da stand eine BMW HP2 neben meiner KTM, genauso so ein Teil wie das, mit dem  Hartmut unterwegs ist. Er war es aber nicht, auf der HP2 und einer großen KTM 1290 waren jeweils italienische Nummernschilder. Der Wärter erzählte mir, die Beiden wollten wieder nach Kerman zurückfahren. Für mich ging es aber Richtung Bandar Abbas, ich wollte ja auf die Insel Qeshm. Nachdem ich von der Schnellstraße links abgebogen war, dauerte es auch nicht lange, und die eigentliche Straße war gesperrt. Alle mussten eine Umleitung durch ein ausgetrocknetes Flussbett machen, im Schneckentempo. Danach ging es zügig die Berge hoch, bis auf 2400 m. Erst kurz vor Jiroft ging es dann runter, wurde damit aber auch viel heißer. In Kahnui musste ich tanken und stellte fest, dass ich meine Wasserflasche irgendwo unterwegs verloren hatte. Während die Iraner bisher eher vornehm zurückhaltend waren, werde ich beim Tanken nun umzingelt. Einer stellt sein Mopped gleich mal vor meine Kiste, damit ich nicht losfahren kann, und dann stehen sie zu zehnt um meine KTM herum und fachsimpeln. Ich komme selbst kaum noch ran zum Aufpacken. Da dauert alles natürlich noch länger. Aber auf der anderen Seite kommt man so auch am schnellsten miteinander in Kontakt. Hinter Kahnui geht es noch weiter bergab, und die Polizeikontrollen nehmen schlagartig zu. Alle paar Kilometer dauert es erneut 10 Minuten, bis ich durch bin. Gefühlt ist es inzwischen schon fast so heiß wie gestern in der Wüste, nur ist die Luftfeuchtigkeit höher. Bei einem Tankwart schnorre ich Wasser, lecker! Dann wieder eine Polizeikontrolle, Posten 1 mokiert sich wieder über das Licht, das ich nicht abschalten kann, und Posten 2 sagt "welcome to the Iran", wieder mal durch. Ich fahre weiter, als nach ein paar Minuten plötzlich ein Pritschenwagen vom Militär neben mir auftaucht und mich auffordert, anzuhalten. Sind das echte Militärs, oder wie sehen die aus? 5 Uniformierte springen mit dem MG in der Hand von der Ladefläche und umringen mich. Wer ich sei, wo ich herkomme, wo ich hin  will, das Übliche. Allerdings musste ich ihnen genau meine bisherige Reiseroute beschreiben und versichern, dass ich wieder nach Deutschland zurückfahren wolle. Die meisten waren ja ganz nett, nur der Chef, der kein Wort Englisch sprach, war schlecht drauf. Schließlich deutete er mir an, ich könne weiterfahren, aber jetzt wollten seine Leute mehr über das Motorrad wissen. Mir ist natürlich klar, dass hier die Hauptroute für den Rauschgifthandel aus Afghanistan und Pakistan verläuft, deshalb die vielen Polizei- und Militärkontrollen. Nach welchen Kriterien die ausgerechnet mich herausgesucht haben, das ist mir allerdings unklar. Ich musste bis heute im Iran noch nicht einmal mein Gepäck zum Untersuchen abladen! Obwohl mal einer der Iraner meinte, ich hätte in den abgeschlossenen Alukoffern bestimmt Alkohol dabei.  Jedenfalls hat mich dieses Ereignis dann doch ein wenig erschreckt, und weil die Militärs ja auch Iraner sind, kriegen sie keinen Blog-Titel.
Da es jetzt doch schon wieder kurz vor dem Dunkelwerden war, konnte ich mir die Fähre nach Qeshm für heute abschmecken. Stattdessen suchte ich mit dem Navi ein Hotel am Meer und geriet zufällig in das 5 Sterne-Hotel Hormoz. 1,9 Millionen Rial für ein schlechteres Zimmer als in Bam fand ich zwar völlig überzogen, aber suchen wollte ich auch nicht mehr. Ich bin hier am Persischen Golf , heute waren es hier 42° Celsius mit hoher Luftfeuchtigkeit. Da fällt Zelten für mich aus, und ein auf 20° C runtergekühltes Luxushotel mit Klavierspieler im Foyer, Tennisplätzen und gutem Internet kann man sich schon mal leisten. Nach ein wenig Nachdenken habe ich mich entschlossen, statt auf die Insel Qeshm morgen schon den Weg nach Shiraz anzutreten. Einerseits bin ich immer noch einen Tag hinter meinem Plan, zum andern wäre eine Überfahrt mit der Fähre morgen hin und übermorgen zurück ziemlich stressig, da bliebe für Qeshm einfach zu wenig Zeit. Mit dem Baden ist es im Iran ja sowieso nicht so einfach. So bin ich wieder im Plan und kann mich dann endlich mal um den Reifenwechsel kümmern. Warum ich dann nicht gleich von Bam nach Shiraz gefahren bin? Erstens hatte ich gehofft, es heute noch bis Qeshm zu schaffen; und zweitens wollten wir alle ja ursprünglich mal zu zehnt in den Oman fahren und unsere Motorräder von dort aus mit dem Container zurückschaffen. Daraus wurde zwar aus verschiedenen Gründen nichts, aber zumindest habe ich es bis Bandar Abbas geschafft, von hier geht die Fähre; über die Straße von Hormoz sind es gerade mal 100 km bis zum Oman, bis Dubai knapp das Doppelte. Diesen Haken wollte ich gerne gemacht haben. (Track20)
so sah die Zitadelle nach dem Erdbeben aus

viele Mauern müssen heute noch abgestützt werden

aber in Teilen ist sie schon wieder gut restauriert

wie hier die Mauer

einer der Arbeiter

die Wehrtürme am Eingang

Stroh, Wasser, Lehm und kleine Steine als haltbarer Mörtel

sieht schon wieder imposant aus

schon fertig bis auf die Steinplatten der Fassade

hier wird noch eifrig gewerkelt

der Eingang zum gesamten Komplex

die HP2, ist das etwa Hartmut?

Umleitung durch ein ausgetrocknetes Flußbett

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