Freitag, 15. September 2017

vom Kaspischen Meer ins Alborz-Gebirge

Inzwischen bin ich wieder etwas heruntergekommen und bereit für neue Abenteuer. Das Frühstück bestand nur aus Tee und so ein paar Mehllappen, die man mit Marmelade oder Honig genießbar macht. Das Kaspische Meer direkt vor dem Hotel ist eigentlich ein See, und zwar der größte der Welt. Rund 650 mal passt der Bodensee hinein. Nebenan ist auch ein kleiner Strand, aber da Baden verboten ist, spielen nur ein paar Kinder im Wasser. Heute geht es wieder hoch ins Alborz. Dieses fast 6000 m hohe Gebirge sorgt dafür, dass sich die Wolken vom Kaspischen Meer abregnen und mit bis zu 1800 l/qm für fruchtbare Landwirtschaft sorgen. Tee und Reis sind einige der Hauptprodukte hier. Von Teheran auf der anderen Seite des Gebirges soll eine Autobahn gebaut werden, damit die reichen Leute noch schneller bei ihren Ferienhäusern am Kaspischen Meer sind. Mal sehen, was ich heute zu sehen bekomme.
Von Hartmut, Martina und Helmut habe ich nach wie vor nichts gehört. Gestern gelang es mir sogar, die privaten emails meiner GMX-Adresse abzurufen, aber auch da war nichts. Schade, da wird es schwierig mit einem Treffen unterwegs. Jetzt bin ich wahrscheinlich erst mal einige Tage ohne Internet. (Track15)
trotz schönem Wasser "Baden verboten"
ein paar Kinder halten sich nicht dran
mein Hotel am Kaspischen Meer
Borussia Dortmund vermarktet sich auch im Iran
ein Imker bei der Arbeit
das wollte ich ablichten, als mein Mopped umfiel
Jetzt ist es schon wieder dunkel, und ich bereue immer mehr, soviel Geld und Zeit für den Iran verschwendet zu haben. Zuerst fuhr ich die Straße von Abbasabad nach Kalardasht hoch. Kaum zu glauben, was diese paar Höhenmeter ausmachen, die tropische Schwüle ist einer angenehmen Wärme gewichen. Das dachten sich wohl auch die tausenden Iraner, die entlang der Straße in den Wälder ihr Wochenende verbringen. Ja Wochenende, denn der Freitag ist hier der eigentliche Feiertag. Überall Lampions und Büdchen, Grillgerüche und ausgebreitete Decken, und natürlich alles mit Autos zugeparkt. Als ich davon ein Bild machen wollte und schon abgestiegen war, kippte das Motorrad plötzlich über den Seitenständer nach links zur Seite. Ich sah es zwar noch kommen, konnte die Maschine aber nicht mehr halten. Vollgetankt, und dazu noch rund 6 Liter Flüssigkeit, da muss die KTM ziemlich gerade stehen, sonst kann sie umkippen. Ich versuchte, die vorbeifahrenden Autofahrer zum Helfen zu animieren, es waren bestimmt an die 50 Stück, ohne Erfolg. Sonst schwätzt jeder mit einem, hupt und will ein Foto, aber wenn ich mal offensichtlich Hilfe brauche, hält keiner an. Die meisten wollen nur ihr eigenes Ego mit so einem Ausländer auf einer Enduro schmücken, aber echtes Interesse ist nur bei wenigen vorhanden. Ein junger Mopedfahrer half mir schließlich beim Aufstellen, meinen Dank dafür auch hier noch mal. Trotz dieses einfachen Umfaller brach der Kupplungshebel, zum Glück an der Sollbruchstelle. Es ist zwar etwas sonderbar, mit einem so kurzen Hebel zu arbeiten, aber es geht. Zweites Defekt war ein zersplitterter linker Außenspiegel. Den tauschte ich beim Tanken dann gegen den rechten, damit sehe ich, was von hinten kommt. Das Ganze wieder mal wegen viel zu viel Gewicht, das ich auf dem Motorrad mitschleppe.  Trotzdem noch einmal Glück gehabt.
Verunsicherten die iranischen Kamikaze-Fahrer mich sowieso schon, macht dieses Erlebnis es auch nicht besser. Was ist, wenn ich mal wirklich in Not bin, hilft mir dann auch keiner? Eine Weile später rief mir ein Autofahrer etwas auf deutsch zu, und ich hielt mit ihm zusammen am Straßenrand an. Er wohnt abwechselnd in Köln und im Iran, war sehr nett, und gemeinsam mit andern Iranern fachsimpelten sie über den besten Weg nach Damavand. Es gäbe nämlich das Problem mit dem Teheraner Wochenendverkehr. Wochenende ist im Iran Donnerstag und Freitag, deshalb auch gestern schon der ständige Stau bei der Fahrt zum Kaspischen Meer. Und tatsächlich, als ich in Marzanabad auf der großen Verbindungsstraße nach Teheran war, kam der erste Stau schon nach 3 km. Da ging gar nichts mehr, so kam ich von der 59 auch nie auf die kleine Seitenstraße 240 nach Baladeh. Einzige Alternative: wieder runter in die Schwüle am Kaspischen Meer nach Now Shahr und in Amol auf der 77 ins Alborz-Gebirge. Die 28 km Autobahn nach Now Shahr hätte ich mit dem Motorrad eigentlich gar nicht fahren dürfen, aber bei der Mautstelle stellte ich mich doof, zahlte nichts, und auch die Polizei daneben sagte nichts. Kurz vor Nur gab es dann sogar ein Wäldchen, in dem ich gestern gut hätte zelten können. Und gegenüber war sogar ein richtiger Strand mit Bademöglichkeit. Schließlich ging es ab Amol wieder ordentlich nach oben, knapp 100 km noch beim Tanken bis Damavand. Was aber dann kam, war Stau ohne Ende. Bei jedem der zahlreichen Tunnel mussten alle Spuren auf eine zusammenrücken, da gab es auch bei den Iranern untereinander ganz schönes Gekeife. Einmal kam ich fast eine Stunde nur immer mit Kupplung einen Meter vor, um wieder zu warten, dann wieder einen halben Meter. Zog man nicht gleich nach, drängte sich schon ein Anderer in die Lücke. Das einzige Highlight im Stau war ein mit einem Fahrer und 3 jungen iranischen Frauen besetzter Wagen direkt vor mir, die zu lauter Musik hin und her hüpften, so dass das ganze Auto wackelte, und so laut mitsangen, dass sich die umgebenden Autos zum mit Hupen animiert sahen. Immer wenn das Kopftuch runterrutschte, wurde es artig wieder hochgezogen, aber bei uns in der Disko geht es auch nicht anders zu. Ehrlich, ich habe bei dem Begriff Iran an Stau allenfalls in Teheran oder den großen Städten gerechnet, aber nicht mit 100 km Staulänge. So kam es dann, dass ich mein Tagesziel um Längen verfehlte. Um dem Stau zu entkommen, fuhr ich in Gazarnak rechts hoch nach Reineh. Hier starten die Touren zur Besteigung des Damavand, mit 5671 m der höchste der Berge hier. Im Winter kommen die Teheraner ins Alborzgebirge zum Skifahren, im Sommer genießen sie die Kühle. Da ich keinen geeigneten Zeltplatz fand, fragte ich wieder im Ort und fand ein Hotel. Kein Internet, kein Frühstück, alles ziemlich heruntergekommen, aber nur mit Müh und Not konnte ich ihn auf 25 Euro  runterhandeln. Auf der Dachterrasse machte ich mir Käsenudeln, und überlege nun, wie es weiter geht. 2 Tage Verspätung wäre kein Problem, einen Reservetag habe ich ja ohnehin eingeplant. Aber im Stau fahren kann ich auch daheim haben, dazu muss ich nicht in den Iran fahren. Ich versuche morgen nach Firuzkuh und Semnan zu fahren; von dort kann man wohl nicht mehr direkt nach Mo'alleman, weil da in der Zwischenzeit militärischen Sperrgebiet wegen eines Raketentestgeländes ist. Da müsste ich dann wohl den Umweg über Damghan oder sogar Shahrud machen. Ich hoffe, dass ich in der Wüste dann wieder die Einsamkeit finden werde. Bam und Qeshm Islands würde ich dann ggfs. auslassen und lieber einen Tag länger in Isfahan zubringen.
Fahrt durch das Alborz-Gebirge
Blick vom Balkon meines Hotelzimmers in Reineh (HDR)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen