Samstag, 30. September 2017

durchs wilde Kurdistan

So schrieb Martina vor wenigen Tagen von ihrer zweitägigen Tour entlang der irakischen Grenze nach Täbriz. Mir erschien das erst mal zu gewagt, so dicht an der Grenze, und noch dazu alleine. Außerdem hatte ich noch die vielen Militär- und Polizei-Kontrollen im Süden unangenehm in Erinnerung. Als der Hotelchef aber dann heute morgen sagte, das sei gar kein Problem, da dachte ich mir, ich fahre mal los, umkehren kann ich immer noch. Und ich muss sagen, ich bin wirklich total happy, die Tour über Paveh und Marivan gemacht zu haben, das war zum Schluss im Iran noch einmal ein Highlight.
Immer auf der 15 ging es erst mal nach Ravansar, ein typisch kurdischer Ort. Die Frauen nicht mehr in schwarz, sondern in bunten Kleidern und Tüchern, die Männer mit den Pluderhosen. Alle sprachen mich an, wollten mit aufs Foto oder selbst eines machen. Einer meinte, ich solle meine Handschuhe lieber mitnehmen, wenn ich das Motorrad verlasse; sind die Kurden anders als die restlichen Iraner? Bestimmt, aber ob sie klauen würden? Bis Javanrud war die Strasse super ausgebaut, aber wegen der kurzen Ferien waren auch viele Autos unterwegs in die Berge. Unangenehm in allen Städten und Dörfern hier im Kurdenland ist, dass eigentlich immer irgendetwas brennt: entweder Abfall, die Felder, jeder macht sein kleines Lagerfeuer, die Verkaufsstände entlang der Straße usw. Dazu kommt dann immer noch der Qualm der Autos, insbesondere der älteren Trucks, die mitten in einer schwarzen Russwolke fahren. Ich bekomme da beim Fahren immer schnell eine Reizung an den Augen, das ist wirklich unangenehm. Irgendwann hatte ich Paveh auf über 1500 m erreicht, eine größere Stadt mitten in den Bergen. Dann begann der eigentliche Spaß: auf serpentinenreicher Straße ging es zunächst immer weiter bergab bis auf 700 m, und die Schweißtropfen wussten gar nicht wohin. Die iranischen Autofahrer immer voll drauf, da wird in der Kurve überholt, jede Lücke ausgenutzt, und wenn keine da ist, verschafft man sie sich mit Gewalt. Ich bin schön defensiv gefahren, habe mich dann hinter einer der nächsten Kurven doch gefreut, als da kanpp 10 Autos ineinander gefahren waren, weil der erste vor einem Geröllabgang seitlich gebremst hatte. Bremsen ist im Iran nämlich beim Autofahren nicht vorgesehen; es würde mich nicht wundern, wenn der am Ende auch noch Schuld hätte. Zum Glück fuhren an einer Weggabelung die meisten nach rechts ab hoch zu einer Moschee. So konnte ich nach Überholen von einigen Sonntagsfahrern entspannt nach unten düsen bis zu einem aufgestauten Fluß namens Ali-e Siruan, der dann wenige Kilometer weiter den Irak erreicht und dort in einem riesigen Wasserreservoir namens Darband Rihan aufgefangen wird. Das war dann auch die tiefste und heißeste Stelle des heutigen Tages. In Nowsud tankte ich noch einmal voll, immer mitten unter neugierigen Kurden. Danach fuhr ich ziemlich alleine die Serpentinen hoch, mit gelegentlichen Fotostopps. Der Irak ist teilweise nur 3 km Luftlinie von der Straße entfernt, aber tagsüber ist das alles kein Problem. Irgendwann bei einem Polizeiposten kam von rechts eine Straße dazu, danach wurde es etwas voller. Apropos Polizei und Militär: letzteres habe ich gar nicht gesehen, und die 4 oder 5 Polizeikontrollen haben sich nicht die Bohne für mich interessiert. Die Berge wurden immer eindrucksvoller, ich hätte gerne viel mehr Fotos gemacht, aber irgendwie vorwärtskommen musste ich ja auch. Knapp 400 km in den Bergen, das ist eine lange Etappe. Auf knapp 2600 m Höhe ist man dann endlich oben, um seinen Blick über den viel tiefer gelegenen Irak schweifen zu lassen. Man erkennt deutlich das Wasserreservoir, und alle paar Minuten kommt auch ein Schmuggler hoch, der auf seinem Rücken Ware aus dem Irak in den Iran bringt. Zwar steht da oben eine Art Wachtmeister, der die Schmuggler auch mal ein wenig anschimpft, aber machen kann er nichts dagegen. Der Ort da oben ist auf jeden Fall einen längeren Aufenthalt wert als ich Zeit dafür hatte. Auf schmalen Serpentinen geht es dann wieder abwärts Richtung Marivan. Auf dem Weg kamen mir mindestens 200 Pickups mit jeweils zwei Pferden oder Mulis oben drauf entgegen. Ich hatte auch gesehen, wie am Pass Maultiere abgeladen wurden. Ob die jetzt alle das Schmuggelgut abholen sollen, oder ob da vielleicht eine Großveranstaltung der Kurden war, ich weiß es nicht.
Da die Straße entgegen meiner Befürchtung überall geteert waren, bis auf ein paar Kilometer Baustelle kurz vor dem Ziel, versuchte ich noch nach Saqqez zu kommen. Zuerst ging es auf guter Straße zu einem Stausee, wo viele Iraner auf den Sonnenuntergang warteten. Dann kam eine wunderbare kleine Straße mit einer Kurve nach der anderen, auf der ich fast alleine unterwegs war. Das vertrocknete Gras auf den Berghängen glänzte im letzten Sonnenlicht honiggelb, es war einfach zauberhaft. Dabei kam ich der irakischen Grenze noch einmal auf wenige Kilometer nahe und dachte so bei mir, was sich hier wohl nachts tut. In Suteh sollte die Straße dann breiter werden, aber da war etwa 10 km Baustelle mit Dreckspiste und viel Staub. In Saqqez bin ich gleich zum Kurd Hotel gefahren, und die wollten schon wieder 2,358 Millionen Rial. Dieses Mal war es noch hell, ich wäre auch weiter gefahren, aber schließlich schlugen sie 1,68 Millionen vor, das war dann ok. In die Hoteltiefgarage konnte ich erst mal nicht, weil ein Auto und ein angekettetes Motorrad den Eingang versperrt hatten. Nach einer Stunde konnte ich die KTM dann aber sicher parken. Internet ging leider fast gar nicht. Morgen geht es nach Täbriz, und dann geht die Reise im Iran langsam ihrem Ende entgegen. (Track29)
Kurdenort Ravansar
Nüsse und Körnerfrüchte
die Beiden verkaufen sie

der Stausee an der irakischen Grenze auf etwa 700 m Höhe
Nowsud mit einer Tankstelle vor dem großen Anstieg zum Pass
der Familie begegnete ich öfters - aber aufs Foto durften nur die Herren der Schöpfung
der Weg zum Pass
Blick in den Irak, deutlich zu sehen das Wasser-Reservoir Darhandi Rihan  
Warten auf Geschäfte? Jedenfalls sehr freundlich und kontaktfreudig
Schmuggler und Ausflügler am Pass
wie ist es gelaufen? was hast du mitgebracht? 
schnell weg, der Bulle kommt ...
irgendwo vor Marivan

der Stausee vor Chenareh

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen